Mutismus: Vom Schweigen zum Sprechen begleiten

Elternfokussierte Handlungsansätze, wie du dein Kind bei Mutismus unterstützen kannst.
Kurse mit Schritt für Schritt Begleitung,
persönlichem Support, Live Calls. Erfahrung aus 10 + Jahren Mentoring.

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Meine Erfahrung mit Mutismus: Mission & Vision

Wer ich bin

Ich bin Kamala, Jahrgang 1989 – selbst ehemals betroffen von selektivem Mutismus.
Seit über zehn Jahren habe ich viele Eltern begleitet, deren Kinder nicht sprechen – und helfe ihnen, ihr Kind besser zu verstehen und sicherer durch diese besondere Lebensphase zu führen.

Schon 2012 begann ich mit ersten Beratungen. 2015 veröffentlichte ich mein Sachbuch „Leben mit Mutismus: Erfahrung – Erkenntnis – Entwicklung“ im Verlag Dr. Köster.

Während meines Studiums (Gender & Diversity) habe ich im Nebenfach Psychologie eine eigene Stichprobenstudie durchgeführt: „Hinderliche und förderliche Faktoren auf dem Bildungsweg eines Kindes mit Mutismus“.

Um mein Wissen gezielt zu vertiefen, habe ich mehrere Weiterbildungen in elternzentrierter Mutismusberatung abgeschlossen – unter anderem in:

  • DortMuT (Elternberatung bei selektivem Mutismus)

  • PCIT-SM, einer Methode zur Eltern-Kind-Interaktion bei selektivem Mutismus

2024 habe ich Mutismus Breakthrough gegründet. Die Community ist dazu da, um die momentan immense Lücke über Wissen der Selbsthilfe für Eltern bei Mutismus zu schließen. 

In Mutismus Breakthrough treffen sich Eltern, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie du. Sie wissen, wie belastend es sein kann, wenn das eigene Kind nicht spricht – und wie einsam sich das anfühlen kann.

Viele kommen, weil sie aktuell auf einen Therapieplatz mit Spezialisierung auf Mutismus warten, sich zusätzliches Wissen wünschen oder sich mehr Verständnis in ihrem Umfeld erhoffen. Einige wurden auch durch Empfehlungen von Fachpersonen aufmerksam, die den Eltern eine stärkere Rolle bei der Begleitung ihrer Kinder zutrauen.

Du bist nicht allein. In der Gruppe findest du Austausch, Verständnis und Orientierung. Ich habe in meiner Arbeit bereits viele berührende Entwicklungen miterleben dürfen – jede Familie geht dabei ihren ganz eigenen Weg.

Elterliche Präsenz, Mitgefühl und informierte Entscheidungen können eine große Veränderung bei selektivem Mutismus bewirken.

In unseren Kursen erhältst du liebevoll aufbereitete Inhalte zur Selbstreflexion, zum Umgang mit Emotionen und zur Stärkung deines Alltags als Elternteil. Ein Ort zum Durchatmen, Verstehen und Wachsen.

Inklusion & Respekt für Individualität

Jedes Kind ist einzigartig. Eltern und Kinder mit selektivem Mutismus stoßen im Schulalltag oft auf Unverständnis oder Barrieren – obwohl Inklusion in Deutschland gesetzlich verankert ist. Auch für mich ist sie ein fester Wert.

In meinen Kursen zeige ich Eltern, wie sie zu einem förderlichen Umfeld beitragen können – durch Wissen, Haltung und gemeinschaftliches Verständnis.

Ich setze mich für eine respektvolle Begleitung ohne Stigmatisierung ein, die die Potenziale jedes Kindes im Blick behält.

Meine Angebote sollen dazu ermutigen, eigene Wege zu finden. Im eigenen Tempo, mit Mitgefühl und dennoch mit klaren Schritten.

Selbsthilfe & neues Wissen

Aufklärung ist ein wichtiger Hebel für Veränderung. Deshalb teile ich in meinen Kursen und Materialien fundiertes Wissen über selektiven Mutismus – weit über das hinaus, was vielen bekannt ist. Mein Ziel ist es, Eltern zu stärken und gängige Missverständnisse durch differenzierte Informationen zu ersetzen.

Viele Eltern berichten mir, dass sie sich mit ihrem Anliegen oft allein gelassen fühlen – etwa weil sie keinen passenden Therapieplatz finden oder ihr Umfeld wenig Verständnis zeigt.

In meinen Online-Kursen begleite ich Eltern dabei, sich selbst zu stabilisieren und neue Handlungsmöglichkeiten im Alltag zu entdecken. So können sie ihr Kind auch im Kontext Schule oder familiärer Herausforderungen bewusster unterstützen.

Ausführliche Infos zu Mutismus

Die folgenden Informationen dienen ausschließlich der allgemeinen Aufklärung über selektiven Mutismus und ersetzen keine fachliche Diagnose, Therapie oder medizinische Beratung.
Ich arbeite nicht als Therapeutin oder medizinische Fachperson, sondern begleite Eltern im Rahmen von Coaching, Mentoring, Erfahrungsaustausch und Impulsgebung.
Alle Inhalte basieren auf persönlichen Erfahrungen, Recherchen und Gesprächen mit betroffenen Familien.
Bitte wende dich bei konkreten medizinischen oder psychischen Fragestellungen immer an geeignete Fachkräfte (z. B. Kinder- und Jugendpsychiaterinnen, Psychotherapeutinnen oder Logopäd*innen).

Was bedeutet selektiver Mutismus bei Kindern?

Selektiver Mutismus wird auch als „psychogenes Schweigen“ bezeichnet. Das bedeutet: Kinder sprechen in vertrauten Situationen (z. B. zuhause), bleiben aber in bestimmten sozialen Umfeldern (wie Kindergarten oder Schule) stumm – obwohl sie grundsätzlich sprechen können.

In internationalen Klassifikationen wie dem ICD (z. B. WHO) wird der selektive Mutismus als Störung mit Beginn in der Kindheit beschrieben. Häufig wird er bereits im Vorschulalter oder zu Schulbeginn erkannt.

Dabei ist wichtig: Es handelt sich nicht um eine Sprachentwicklungsstörung, sondern um eine Angststörung mit tiefgreifendem Schweigen in bestimmten Situationen – oft im Zusammenhang mit Scham oder Angst.

Definition aus Sicht von Fachquellen

In Fachliteratur und internationalen Klassifikationen (z. B. ICD-10/ICD-11) wird selektiver Mutismus als eine Form der sozialen Angststörung beschrieben. Betroffene Kinder oder Erwachsene sprechen in bestimmten sozialen Situationen nicht, obwohl sie dazu grundsätzlich in der Lage wären. Dies kann mit einer Art innerem Erstarren einhergehen.

Studien zeigen, dass in mehr als zwei Dritteln der Fälle keine organische Sprachentwicklungsverzögerung vorliegt. Stattdessen scheint ein komplexes Zusammenspiel aus Angst, Verunsicherung und innerer Anspannung die Sprechhemmung auszulösen.    

 

Wie entsteht Mutismus?

Fachleute gehen heute davon aus, dass selektiver Mutismus kein reines Sprechproblem ist, sondern mit emotionalem Stress und innerer Anspannung in bestimmten Situationen zusammenhängt. Ich beobachte das auch schon seit Anbeginn: Viele Betroffene berichten zusätzlich von weiteren Begleiterscheinungen wie Anspannung, körperlicher Starre oder Vermeidung bestimmter Situationen.

In meiner Arbeit mit Familien zeigt sich immer wieder: Das Schweigen ist oft nur ein Teil eines größeren inneren Rückzugs. Wichtig ist, die individuellen Hintergründe gut zu verstehen.

In meinem persönlichen Erleben kommt Mutismus mir vor, wie eine Kettenreaktion des Körpers. 

Was sind die Ursachen von (selektivem) Mutismus?

Aus Gesprächen mit betroffenen Familien und dem, was ich in Fachliteratur gelesen habe, scheint es bislang keine eindeutige Ursache für selektiven Mutismus zu geben. Stattdessen deuten viele Hinweise darauf hin, dass mehrere Einflussfaktoren zusammenwirken können – zum Beispiel ein sehr sensibles Temperament, Ängstlichkeit in sozialen Situationen oder belastende Lebensereignisse.

Risikofaktoren für selektiven Mutismus

  • Wichtiger Hinweis zur Einordnung:
    In der Auseinandersetzung mit selektivem Mutismus ist es sinnvoll, zwischen Risikofaktoren und Ursachen zu unterscheiden. Aus meiner Erfahrung in der Arbeit mit betroffenen Familien und auf Basis von Veröffentlichungen und Erfahrungsberichten scheinen verschiedene Faktoren begünstigend zu wirken – ohne alleinige Ursache zu sein.

    Niemand trägt „die Schuld“ am Mutismus – auch nicht die Mutter, der dies häufig unbewusst zugeschoben wird. Vielmehr geht es darum, Zusammenhänge zu verstehen, ohne zu verurteilen.

    Mögliche Einflussfaktoren, die wiederholt im Zusammenhang mit selektivem Mutismus beobachtet wurden:

    • Ängstliches Temperament, Schamgefühle

    • Sehr feine oder hochsensible Wahrnehmung

    • Emotionale Belastungen (z. B. Verlust, Trennung)

    • Migrationserfahrungen und kulturelle Übergänge

    • Mehrsprachigkeit im frühen Kindesalter

    • Frühgeburtlichkeit oder sprachliche Unsicherheiten

    • Familiäre Spannungsfelder oder negative Selbstbilder

    Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Kausalität. Sie basiert auf meiner persönlichen Beobachtung, ergänzt durch Literaturhinweise und den Austausch mit Eltern und Fachpersonen.

Grundlegende Störungen

  • Haftungsausschluss:
    Ich bin keine Therapeutin und stelle keine Diagnosen. Die folgenden Informationen beruhen auf meiner persönlichen Erfahrung als ehemals Betroffene, auf dem Austausch mit vielen Familien, Betroffenen und Fachpersonen sowie auf öffentlich zugänglicher Studienlage. Sie ersetzen keine medizinische oder therapeutische Beratung.

    In meiner langjährigen Auseinandersetzung mit selektivem Mutismus – sowohl als ehemals Betroffene als auch in Gesprächen mit vielen Eltern und Erwachsenen – habe ich wiederholt beobachtet, dass bei sehr vielen Kindern mit selektivem Mutismus auch typische AD(H)S-Merkmale vorhanden sind. Viele Betroffene beschreiben Reizoffenheit, Konzentrationsprobleme, motorische Unruhe oder Schwierigkeiten damit, sich in freien Sprechsituationen zu bremsen– auch wenn keine offizielle AD(H)S-Diagnose vorliegt.

    Meine Hypothese:
    AD(H)S wird bei Kindern mit selektivem Mutismus möglicherweise häufig übersehen, da ihr Sprechverhalten (z. B. viele Worte im sicheren Umfeld) oft als „normal“ oder „kompensierend“ missverstanden wird. Gleichzeitig zeigen viele eine intensive innere Anspannung oder Übersteuerung, die typisch für AD(H)S ist – ohne dass dies therapeutisch eingeordnet wird.

    Diese subjektiven Beobachtungen werden auch von Studien teilweise gestützt:


    📚 Studien zu Komorbiditäten bei selektivem Mutismus

    🟡 SMiRA-Studie (Großbritannien, 2024)
    → Elternbefragung von 264 Familien mit selektiv mutistischen Kindern (201 mit Diagnose, 63 wartend)
    Ergebnisse:

    • 19 % der Kinder hatten zusätzlich eine ADHS-Diagnose

    • 16 % wiesen weitere Komorbiditäten auf
      Quelle: SMiRA (Selective Mutism Information and Research Association), UK Parliament Submission 2024, Abschnitt 1.4
      Direkter Link zur Studie (PDF)


    🟡 Marmara-Studie (Türkei, 2011–2013)
    → Retrospektive klinische Fallreihe von 10 Kindern mit selektivem Mutismus
    Ergebnis: 5 von 10 Kindern (50 %) hatten auch eine ADHS-Diagnose
    Veröffentlicht in: Psychiatry and Clinical Psychopharmacology, Vol. 23, Suppl. S201, 2013
    Abstract online einsehbar


    Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass neurodivergente Verarbeitungsweisen wie ADHS oder Autismus bei selektivem Mutismus nicht selten sind – auch wenn sie nicht immer sofort erkannt oder diagnostiziert werden. Besonders bei Mädchen oder stark angepassten Kindern wird AD(H)S oft übersehen.


    🧠 Weitere begleitende Faktoren (keine Ursachen!)

    Wichtig ist: Es handelt sich bei den folgenden Aspekten nicht um Ursachen, sondern um Risikofaktoren oder mögliche Begleitphänomene, die im Zusammenspiel mit genetischer Veranlagung, Umweltbedingungen und individueller Stressverarbeitung auftreten können.

    Diese Aufzählung ersetzt keine diagnostische Einschätzung und dient ausschließlich zur Sensibilisierung:

    • Sozialphobie (laut meiner eigenen Einschätzung aus Beobachtungen und eigener Erfahrung: nicht zwangsläufig grundlegend vorhanden, könnte laut meiner Einschätzung entstehen, weil Betroffene wissen, sie könnten angesprochen werden)

    • AD(H)S (in manchen Untersuchungen in vielen  Fällen nachweisbar)

    • Autismus-Spektrum-Störungen (inkl. atypischer Präsentationen)

    • Reizüberempfindlichkeit und sensible Verarbeitung

    • Erhöhter Stresslevel in bestimmten Hirnarealen, z. B. Überaktivität der Amygdala

    • Verminderte Aktivität des Botenstoffs Serotonin (hypothetisch diskutiert)


    🔍 Persönliche Beobachtung

    Auch viele erwachsene ehemalige Mutisten berichten über AD(H)S-nahe Symptome im späteren Leben: emotionale Reizoffenheit, Überforderung durch äußere Reize, innere Anspannung. Ebenso haben sich einige Mütter selektiv mutistischer Kinder bei mir rückgemeldet und beschrieben, dass sie sich in diesen Beschreibungen selbst wiedererkennen – was auf eine mögliche familiäre Veranlagung oder Weitergabe von Verhaltensmustern hinweisen könnte.

Ist Mutismus heilbar?

Viele Kinder mit selektivem Mutismus finden mit der Zeit Wege, ihre Sprachfähigkeit in bestimmten Situationen (wieder) zum Ausdruck zu bringen. Dabei ist wichtig zu verstehen: Das Schweigen ist häufig nicht das eigentliche Problem, sondern ein sichtbares Zeichen tieferliegender emotionaler Prozesse.

Aus meiner persönlichen Erfahrung – sowohl als ehemals selbst betroffene Person als auch durch viele Gespräche mit Eltern – kann ich sagen: Kinder machen große Fortschritte, wenn sie ein sicheres Umfeld und passende Impulse erhalten. Doch der Weg ist individuell.

Entscheidend ist, dass nicht nur das Sprechen als „Erfolg“ gewertet wird. Denn selbst wenn erste Worte gesprochen werden, bleiben oft Unsicherheiten oder emotionale Schutzmechanismen bestehen. Diese können Erwachsene leicht übersehen, wenn der Fokus einzig allein auf dem Sprechen liegt. 

In meinen Kursen erfahren Eltern, wie sie ihr Kind behutsam und ohne Druck begleiten können – Schritt für Schritt, mit Feingefühl für die emotionalen Bedürfnisse hinter dem Schweigen.

Folgen von Mutismus

Welche Folgen kann selektiver Mutismus haben?

Kinder mit selektivem Mutismus erleben bestimmte soziale Situationen anders als andere Kinder. Weil das Sprechen in diesen Momenten nicht möglich ist, können sie seltener üben, sich zu behaupten, ihre Meinung zu äußern oder Konflikte auszutragen.

Das wirkt sich nicht nur auf das Selbstbild aus, sondern auch auf ihre Rolle im sozialen Miteinander. Manche Kinder berichten, dass sie sich „unsichtbar“ fühlen oder befürchten, falsch verstanden zu werden.

Leider werden sie im Schulalltag oft übersehen oder – ohne Kenntnis der Hintergründe – als schüchtern, eigenwillig oder sogar unhöflich wahrgenommen. Das kann zu Missverständnissen, Rückzug oder auch zu Ausgrenzung führen.

In meinen Kursen zeige ich Eltern, wie sie ihre Kinder unterstützen können, damit sie sich sicherer fühlen – ganz ohne Druck, dafür mit Verständnis, Präsenz und Strategien, die wirklich alltagstauglich sind.

Mutismus Erwachsene: Das Mutismus-Echo

 

Während einige Kinder schweigsam bleiben, beginnen andere mit dem Sprechen. Im Erwachsenenalter fühlen sich ehemalige Mutisten ohne Hilfe oft ausgeliefert und orientierungslos. Und das, obwohl sie mit der richtigen Therapie und Unterstützung ein weitaus besseres Leben führen könnten. Was zurückbleibt sind viele traumatische Erfahrungen, die durch den Mutismus entstanden sind. Mutisten entwickeln sich durch ihr stilles und beobachtendes Verhalten anders. Sie zeichnet eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe aus, doch in zwischenmenschlichen Bereichen kann die Entwicklung zurückbleiben. Das gute ist: Dadurch, dass die Kinder zuhause das laute Sprechen praktizieren, lernen sie auch. Das heißt, es ist nicht allzu schwer, soziale Erfahrungen im Erwachsenenalter nachzuholen und zu lernen, sich in Präsenz anderer als selbstwirksam wahrzunehmen. Kinder mit selektivem Mutismus sind in den meisten Fällen genauso intelligent, wie ihre Mitmenschen. Doch aufgrund von fehlenden Möglichkeiten, sich in sozialer Interaktion zu üben und zwischenmenschliche Auseinandersetzungen auszutragen, entwickeln sie sich anders.

Im Gegensatz dazu sind Mutisten in anderen spezifischen Bereichen weiter entwickelt als ihr Umfeld. Sie haben vom ersten Tag im Kindergarten an, das Treiben anderer beobachtet. So haben Menschen mit selektivem Mutismus in der Regel eine außerordentliche soziale Ader und Beobachtungsgabe von sozialen Konstrukten. Sie riechen es förmlich, wenn andere Menschen Erwartungen an sie haben. 

Die Gute Nachricht ist: Auch Erwachsene haben eine Chance, sich davon zu erholen und einen angemessenen Umgang mit dem ehemaligen Mutismus und den zurückbleibenden Problemen zu finden.

Entscheidend ist die Überwindung von Untergelegenheitsgefühlen und die Identifikation des eigenen Selbst-Gefühl in Gegenwart anderer Menschen. Sich selbst als stark zu erleben in Gegenwart von Menschen, die auch stark sind. Wichtig ist die Begleitung auf diesem Weg, da Betroffene dazu neigen sich selbst mit den Augen anderer schlecht zu bewerten. Das geht bis hin zu dem Missdeuten von Gesichtsausdrücken (Projektion). Oft ecken diese Menschen in der Gesellschaft an oder haben Angst vor Auseinandersetzungen mit Außenstehenden. Da äußerlich vom Mutismus nur schwer noch etwas zu erkennen ist, haben Erwachsene Menschen mit mutistischen Zügen Probleme damit, Gehör für ihre Anliegen zu finden. Was für eine Ironie. Dieses Phänomen nenne ich das Mutismus-Echo.

Wie häufig ist Mutismus?

Selektiver Mutismus ist in den letzten Jahren bekannter geworden – gleichzeitig gehen Expert:innen von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Fälle nicht erkannt oder falsch eingeordnet werden.

Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass im Kindesalter zwischen 0,1 % und 2 % der Kinder betroffen sein könnten – je nach Region, Diagnosestandard und Zugang zum Hilfesystem.

In meiner täglichen Arbeit erlebe ich, dass insbesondere hochsensible, mehrsprachige oder sehr angepasste Kinder übersehen werden. Viele Familien berichten erst spät von Schwierigkeiten – dabei zeigen sich die ersten Anzeichen oft schon im Kindergarten.

Auffällig ist: Mädchen erhalten häufiger eine Mutismus-Diagnose. Gleichzeitig deuten Erfahrungen aus meiner Begleitung darauf hin, dass Jungen oft seltener erkannt werden – vielleicht, weil sich ihre Symptome anders zeigen.

Auch in Familien mit Fluchterfahrungen, Migration  wird eine größere Betroffenheit vermehrt thematisiert – nicht als Ursache, sondern als zusätzlicher Risikofaktor, der Sensibilität, Stress oder Ängste verstärken kann. 

Boy and girl playing jenga

Sind von Mutismus wirklich mehr Mädchen als Jungen betroffen?

In den offiziellen Diagnosezahlen erscheinen mehr Mädchen als Jungen mit selektivem Mutismus.

Ob tatsächlich mehr Mädchen betroffen sind, ist wissenschaftlich jedoch nicht abschließend geklärt – denn die Statistik bildet nur ab, wer diagnostiziert wurde.

Mädchen und Jungen erleben unterschiedliche Erwartungen durch ihr Umfeld. Es ist möglich, dass Jungen ihre Ängste anders zeigen. Auch könnten gesellschaftliche Normen dazu führen, dass schweigende Jungen stärker zu Anpassung oder Vermeidung greifen – etwa durch „Masking“ oder impulsives Verhalten.

Fachleute diskutieren zudem, dass ähnliche Symptome bei Mädchen und Jungen unterschiedlich eingeordnet werden – etwa als ADHS oder Autismus. Das könnte mitverantwortlich dafür sein, dass viele Jungen mit Mutismus nicht erkannt oder anders eingeordnet werden.

älterer junge der mutismus hat

Unterschiedliche Formen von Mutismus

Es gibt unterschiedliche Ausprägungen von Mutismus. Diese reichen von leichten Sprach- und Kommunikationsschwierigkeiten, sozialen Situationen außerhalb des familiären Umfelds, über das Schweigen und das körperliche Einfrieren ausschließlich im familiären Umfeld bis hin zum totalen Schweigen und keiner Körpersprache mehr in beiden sozialen Bereichen.

1. Selektiver Mutismus und Elektiver Mutismus

Selektiver und elektiver Mutismus beschreiben die gleiche Form von Mutismus. Früher wurde der Begriff elektiver Mutismus verwendet, was zu Fehlannahmen führte. Da „elektiv“ (aus dem Englischen “election”: Wahl) vermuten lässt, dass es sich bei dem Schweigen um eine Entscheidung handelt, die von der erkrankten Person selbst getroffen wird.

Daher setzt sich mittlerweile der Begriff „Selektiver Mutismus“ durch. Mutismus ist keine Wahl und Betroffene leiden sehr darunter, sich nicht ausdrücken zu können. Daher werde ich auf dieser Seite aus Respekt gegenüber Betroffenen ausschließlich von „selektivem Mutismus“ sprechen.

2. Selektiver Mutismus  –  außerhalb des familiären Umfelds

Der selektive Mutismus bezeichnet das Schweigen außerhalb des gewohnten und familiären Umfelds. Betroffene wählen eine familieninterne Schutz-Person aus, zu der sie eine symbiotische Bindung aufbauen. Meistens die Mutter.

3. Innerfamiliärer selektiver Mutismus –  Schweigen innerhalb des familiären Umfelds

Der innerfamiliäre selektive Mutismus bezeichnet das Schweigen innerhalb des gewohnten und familiären Umfelds. Es fällt Betroffenen schwer, eine vertrauensvolle Bindung zur Familie aufzubauen. Diese Form des Mutismus tritt sehr selten auf.

Beschreibungen zu dem innerfamiliären selektiven Mutismus meinerseits stammen von zwei Personen, die Kontakt zu mir aufgenommen haben und mir davon berichteten. Die Forschungslage ist verschwindend gering und das Phänomen ist sehr unbekannt.

4. Totaler Mutismus

Beim totalen Mutismus sprechen Betroffene weder mit der Familie noch mit Außenstehenden.

5. Akinetischer Mutismus

Beim Akinetischen Mutismus fehlenden Ausdruck von Mimik, Gestik und Sprache in allen Lebensbereichen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Familie. Akinetischer Mutismus ist seltener als selektiver Mutismus.

Gängige Diagnosekriterien für selektiven Mutismus

Um den Selektiven Mutismus sicher diagnostizieren zu können, werden Leitlinien herangezogen. Diese sind zu finden im Diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM) und in der internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD). Diese Leitlinien werden fortlaufend aktualisiert und überarbeitet.

Folgende Beschreibungen sind gängige Kriterien, um den selektiven Mutismus zu diagnostizieren. 

A

Fortlaufender Ausfall des Sprechens in spezifischen sozialen Situationen (in denen das Sprechen erwartet wird, z.B.: in der Schule), während in anderen Situationen gesprochen wird.

B

Schulische und berufliche Leistungen oder die soziale Kommunikation werden dadurch beeinträchtigt.

r

C

Die Beeinträchtigung dauert mindestens einen Monat an (ist nicht auf den ersten Monat in der Schule beschränkt).

w

D

Das Versagen der Sprache entsteht nicht aus fehlenden Kenntnissen der Sprache oder weil Betroffene die Sprache nicht sicher sprechen können.

Fehldiagnosen verhindern: Die zwei unverwechselbaren Symptome bei Mutismus

Bei Mutismus gibt es auf den ersten Blick Überschneidungen mit Autismus und angeblich auch ADHS (was ich nicht nachvollziehen kann). Die zwei folgenden Symptome deuten jedoch unverwechselbar auf selektiven Mutismus hin:

Die zwei Gesichter des selektiven Mutismus

Das deutlichste Symptom vom selektiven Mutismus sind die zwei Gesichter, die Betroffene in sich tragen. Was ist damit gemeint? Betroffene verhalten sich je nach spezifischer sozialer Situation so unterschiedlich, dass es einem Persönlichkeitswechsel gleichkommt.

Viele Kinder verhalten sich zu Hause oder alleine mit einem Elternteil wortgewandt, aufgeweckt und durchsetzungsfähig.

Sobald sie sich jedoch der Eingangstür zu Schule oder Kindergarten nähern, frieren Kinder mit selektivem Mutismus ein. Gestik, Mimik und sprachlicher Ausdruck werden auf ein Mindestmaß reduziert und der Blick wird leer und auf den Boden gerichtet. Es ist, als würde das Kind in sich selbst verschwinden.

Für Therapeuten ist dieses Symptom schwer zu erkennen, da sie selbst zunächst oder auch fortwährend nur eines der beiden Gesichter kennenlernen. Die Diagnosestellung ist dennoch möglich. Hier sind Psychotherapeuten auf die Erzählungen der Eltern angewiesen.

Ein weiteres deutliches Zeichen ist das Flüstern beim selektiven Mutismus. Betroffene sprechen zwar nicht laut, antworten hier und da aber flüsternd gegenüber auserwählten Personen.

Fehldiagnosen und Therapeutenwahl

Fehldiagnosen sind häufig, da ähnliche Kriterien ebenfalls auf andere psychische Krankheiten zutreffen. Die Beschreibungen sind ziemlich wage, was die Diagnosestellung weiter erschwert. Zudem ist selektiver Mutismus vielen Therapeuten unbekannt, da diese Angststörung in der Ausbildung nur spärlich behandelt wird. Fehldiagnosen führen zu falschen Folgebehandlungen.

Nicht alle Therapeuten kennen sich mit Mutismus aus oder verstehen die Not, in der Betroffene sich befinden. Das führt leider in vielen Fällen zu Stagnation oder weiteren traumatischen Erlebnissen.

Ist Mutismus eine Form des Autismus?

Nein, im Gegensatz zu häufigen Annahmen, ist Mutismus keine Form des Autismus. Allerdings kann beides zur gleichen Zeit auftreten und Mutismus kann durch Autismus entstehen, jedoch niemals umgekehrt. Autismus ist eine der häufigen Fehldiagnosen bei Mutismus.

Es gibt einen besonders entscheidenden Unterschied zwischen Autismus und Mutismus. Autismus ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die bis heute unheilbar ist. Der Mutismus ist eine Angststörung. Das Schweigen gilt als gut behandelbar. Die psychische und kommunikative Komponente hingegen geht tiefer und es dauert länger, bis sich Ängste auflösen. Es sieht auf den ersten Blick jedoch zum Verwechseln ähnlich aus.

Buch: Leben mit Mutismus

Wenn Kinder schweigen, können sich Angehörige, Freunde und andere Kontaktpersonen meist nicht in diese verschlossene Welt der Betroffenen hineinversetzen. Sie stehen dem Schweigen und den plötzlichen Wutausbrüchen hilflos gegenüber.

Die Suche nach professionellem Rat ist nicht selten mit einer Odyssee durch die medizinischen Instanzen verbunden.
Kamala Kiby gibt mit der Beschreibung ihrer eigenen Erfahrungen einen Einblick in die Wahrnehmungs- und Gefühlswelt von Mutisten. Das Buch soll Mut machen, den eigenen Weg zu finden.

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